Sonnenplatz 4, 97941 Tauberbischofsheim
Tauberbischofsheim. „Wir schenken Zeit“, fasst Karin Böhlecke, eine der drei Einsatzleiterinnen der Nachbarschaftshilfe Mittleres Taubertal den Kernpunkt des breitgefächerten Aufgabenbereichs zusammen. Zeit, die den Unterstützten in ihrem Alltag guttut, ihnen hilft diesen zu meistern sowie ihn so lang als möglich in der vertrauten Umgebung zu verbringen. Zeit, die den „Schenkern“ Wertschätzung und Dankbarkeit zurückschenkt.
Vor 25 Jahren von einer rührigen Frauengruppe als Verein aus der Taufe gehoben, stehe man nunmehr seit einem Vierteljahrhundert an der Seite der Menschen und leiste seelische, körperliche, soziale und hauswirtschaftliche Hilfe, wobei jedwede Art wertvoll sei.
Sei es die ältere Dame, die ihren pflegebedürftigen Mann betreut und zum Friseur möchte oder einfach mal eine bisschen Zeit für sich brauche, „um nicht auszubrennen“, ihren Mann aber nicht allein lassen könne, sei es das Ehepaar, das zum Arzt oder zum Einkauf gefahren werden müsse oder Hilfe in Haushalt oder Garten benötige – das Spektrum des Vereins sei so vielfältig wie die Helfer selbst und vereine die Komponenten. So beinhalte das gemeinsame Kochen oder Backen neben den hauswirtschaftlichen auch soziale Aspekte. Erzählen, plaudern, lachen, vielleicht ist auch noch Zeit einen Kaffee zu trinken und das gemeinsam geschaffene Backwerk zu genießen, die Zuwendung sei ebenfalls sehr wertvoll und nicht zu unterschätzen. „Wir legen großen Wert darauf, dass immer dieselbe Person kommt“, erklärt Böhlecke und unterstreicht die Wichtigkeit der Bindung und des Vertrauens. Insofern sei unerlässlich, dass die Chemie stimme. Insbesondere ältere Menschen freuten sich sehr über die persönliche Zuwendung, die oftmals das „Highlight der Woche“ darstelle. Indessen benötigten auch junge Familien Hilfe, wenn etwa ein Partner krankheitsbedingt ausfalle oder gar verstorben sei. Unabhängig wer sich in einer Notsituation befinde, alt, körperlich beeinträchtigt oder jung, in der Einsatzleitung versuche man stets den passenden Helfer zu finden. Man lege großen Wert auf Verlässlichkeit. „Das ist ein Anspruch, den wir an unsere Engagierten stellen“, betont die Einsatzleiterin, die darüber hinaus selbst noch als Helferin aktiv sei.
Im Gegenzug drücke man von Seiten der Einsatzleitung den Helfern nichts auf. Denn sie böten ihre Fähigkeiten an und „wir müssen schauen, zu welchen Hilfsbedürftigen diese passen.“ Schließlich habe nicht jeder einen grünen Daumen und erledige gerne kleinere Gartenarbeiten, manch einer koche leidenschaftlich gern, für wieder andere seien Autofahrten ein Graus, dafür lesen sie gerne vor. So vielfältig die Talente und Fähigkeiten, so vielfältig seien auch die Einsatzmöglichkeiten. Nicht nur das Wohl der Einsatzfamilie, auch das der Helfer liege ihnen am Herzen, bekräftigt die energiegeladene Einsatzleiterin. Denn nur wenn er seinen Fähigkeiten und Kapazitäten entsprechend eingesetzt werde, erfülle er diesen Dienst am nächsten liebevoll und empathisch. Wichtig sei überdies, dass die Helfer keine „Lückenbüßer“ seien in Zeiten knapper Kassen sowie personeller Engpässe. Des Weiteren stehe die Nachbarschaftshilfe nicht in Konkurrenz zu Taxiunternehmen, denn die Begleitperson begleite zur Praxis und koordiniere gegebenenfalls die Folgetermine, so dass es auch für sie passend sei. Auch beim Einkauf sei sie mit von der Partie und setze ihre Schutzbefohlenen nicht einfach vor der Ladentüre ab. Ähnlich gestalte sich das Engagement bei Gartenarbeiten: leichtere ja, bei schweren, umfangreichen sei ein Fachbetrieb zu beauftragen. Ebenso übernehme sie keine Pflegemaßnahmen. Zwar seien alle Engagierten geschult, dennoch seien sie keine Pflegekräfte.
Neben einer finanziellen Aufwandsentschädigung werden man ideell reich belohnt. Wertschätzung und Dankbarkeit, kämen zurück, bereiteten Freude und unterstrichen die Sinnhaftigkeit des Engagements. In Zeiten steigenden Bedarfs an Alltagsbegleitung seien Helfer stets gesucht und willkommen. Rund 120, davon 20 Männer brächten sich aktuell für ihre Mitmenschen ein. Nicht selten seien sie die einzigen, die sich kümmerten, wenn die Eltern alt und die Kinder nicht vor Ort seien. Jenen wiederum falle ein Stein vom Herzen, wenn sie ihre Eltern fürsorglich und würdevoll betreut wüssten und diese, zumindest noch für eine Überbrückungszeit, in ihrem angetrauten Umfeld leben könnten. Klar sei, dass nur Hilfe geleistet werden könne, wenn auch jemand da sei. Ansonsten müsse man auf andere Hilfsdienste verweisen. Von daher seien neue Kräfte wärmstens willkommen, um im Einsatzgebiet „Mittleres Taubertal“, also von Tauberbischofsheim bis Ahorn, von Wittighausen bis Königheim zu unterstützen. Niemand müsse Angst vor Überforderung haben. Wenn der Helfer im Urlaub sei, sei das eben so. Dann komme ein anderer. Wichtig sei, dass das vorher gut kommuniziert werde.
Eng arbeite man mit Pflegediensten und Heimen zusammen, schließlich habe man dasselbe Ziel: das Wohlergehen der anvertrauten Menschen.
Sei die besuchte Person in einem Pflegegrad eingestuft, könnten die Haushaltsdienste als Leistungen der Pflegekasse abgerechnet werden. Bei Fahrdiensten mit dem eigenen Auto erhalte der Fahrer eine Kilometerpauschale. Auch ein vereinseigener Wagen stehe zur Verfügung.
Obwohl man sich über mangelnde Einsatzorte nicht beklagen könne, wolle man im Jubiläumsjahr nach draußen gehen und die wertvolle Arbeit den Menschen vorstellen. Denn es gebe genug, denen etwas Unterstützung guttäte, die wiederum auch bereit sein müssten, Hilfe anzunehmen. Einerseits gelte es mentale Hemmschwellen abzubauen, auf Augenhöhe die Alternativen vorzustellen, andererseits Engagierte mit Herz, Empathie und Freude am Ehrenamt zu gewinnen.
Diese Freude ist selbst in den Büroräumen am Sonnenplatz spürbar, als während des Gesprächs immer wieder Helfer vorbeischauen, um dies und jenes zu besprechen. Nicht einer wirkt gestresst, überfordert, genervt. Nein, vielmehr liegen allen „ihre“ Umsorgten am Herzen. Fast greifbar ist die Energie, Umtriebigkeit und der Wille etwas Gutes tun zu wollen. Sofort kommt mir ein Satz Adolf Kolpings in den Sinn, natürlich seiner Zeit geschuldet: Schön reden tut’s nicht, die Tat ziert den Mann! Heute würde er wohl sagen: Die Tat ziert den Menschen!
Infos unter: www.nsh-mt.de
Autorin: Elisabeth Englert
Die Nachbarschaftshilfe ist ein gemeinnütziger, unabhängiger Verein, um Menschen in Notsituationen des Alltags seelische, leibliche, soziale und hauswirtschaftliche Hilfe geben zu können. Jeder in einer Notsituation kann Hilfe von uns als Verein erhalten, egal ob alt oder jung, Familien, Alleinstehende, Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende, kranke oder pflegebedürftige Menschen sowie pflegende Angehörige.